08.10.2025
Über PFAS-Schäden, Fallstricke beim Verkauf belasteter Grundstücke und die rechtssichere Beschaffung innovativer Verfahren
AAV-Fachtagung in Hattingen
Wie funktioniert die Regulierung von Gefahrstoffen – und warum sind die als schädlich erkannten PFAS noch immer in Verkehr? Gibt es Gerichtsentscheidungen dazu, wer für die Folgen von PFAS-Belastungen aufkommt? Welche Risiken gibt es beim Verkauf von Altlasten-Grundstücken? Antworten auch auf weitere Fragen gaben sieben Experten bei der Fachtagung zu aktuellen Rechtsfragen, die der AAV – Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung am 04.06.2025 in Hattingen ausrichtete. Auch in diesem Jahr fand die Veranstaltung bei Kommunen, Bezirksregierungen, Handwerk und Industrie sowie Gutachterbüros großen Anklang, unter Beweis gestellt durch über 270 Teilnehmer.
PFAS verursachen Kosten in Milliardenhöhe
„Wenn ein problematischer Stoff erst gar nicht in Verkehr kommt, dann kann auch kein Risiko entstehen. Wie also läuft eigentlich die Gefahrstoffregulierung?“ Mit dieser Frage begann Prof. Dr. Wolfgang Köck den Eröffnungsvortrag in der Hattinger Henrichshütte. Köck ist Inhaber des Lehrstuhls für Umweltrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig und gehört zum Umweltsachverständigenrat der Bundesregierung.
Bis zu 10.000 unterschiedliche PFAS-Stoffe gebe es und „gemeinsam ist allen: Sie haben eine lange Stabilität. An vielen Punkten gibt es Expositionen zur Umwelt und zum Menschen.“ Ein Verbot der gesamten Stoffgruppe strebe aber derzeit weder die Bundesregierung noch die EU an. Allerdings habe eine engagierte Politik für die Vermeidung von PFAS-Einträgen in die Umwelt 2019 Rückenwind erhalten durch eine Studie des Nordischen Ministerrats, so Prof. Köck. Diese Studie beziffert die jährlichen Kosten in Europa durch Untätigkeit gegenüber PFAS-Expositionen auf 52 bis 84 Mrd. Euro.
Die EU-Kommission habe 2020 in ihrer Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit auch eine PFAS-Strategie eingelagert. „Erreicht ist bislang lediglich ein Verbot einzelner PFAS sowie die Festlegung von Grenzwerten für Oberflächengewässer und für die Trinkwasser-Richtlinie.“
In Deutschland wurde diese Trinkwasser-Richtlinie bereits umgesetzt – sogar mit strengeren Grenzwerten für viele PFAS-Einzelstoffe. „Die Einhaltung dieser Grenzwerte wird zu Herausforderungen führen, weil es in Deutschland bereits eine Vielzahl von kontaminierten Standorten gibt, die seit Jahren Auswirkungen auf die Trinkwasser-Versorgung haben.“
Erhöhter Aufwand bei der Trinkwasser-Gewinnung
Aber: „Wer zahlt für die weitergehende Behandlung und Aufbereitung?“ Dr. Cedric Meyer referierte darüber, wie die PFAS-Thematik vor Zivilgerichten verhandelt wird. „Erste Ansätze für umwelthaftungsrechtliche Fragen im zivilrechtlichen Sinne werden gerade diskutiert“, so der Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Allerdings lasse sich für die meisten PFAS-Verunreinigungen kein Verursacher in die Pflicht nehmen: „Das Schadensrecht führt nicht weit, da es kein Verschulden gibt. Denn ein Verschulden im Sinne des deutschen Rechts erfordert fahrlässiges Verhalten. Jedoch entstand erst ab etwa 2006 ein Bewusstsein dafür, dass PFAS gefährlich sind.“
Bei den typische Haftungsfälle seiner Beratungspraxis gehe es vor allem um Beeinträchtigungen der Trinkwassergewinnung. „Denn wirklich kritisch wird es, wenn PFAS mit dem Grundwasserstrom dahin gelangen, wo jemand das Wasser braucht“, so Dr. Meyer. Da bis 2028 PFAS-Grenzwerte fürs Trinkwasser drastisch verschärft werden, entstehe vielfach Handlungsbedarf. Aber wer zahlt dann für die weitergehende Aufbereitung des Wassers? Hinzu komme, dass Sanierungsvorgaben für einen PFAS-Schaden weniger streng sein können als die Aufbereitungsvorgaben beim Trinkwasser. Viele Fragen dazu seien noch nicht abschließend geklärt.
Das Bodenschutzrecht scheine seiner Meinung nach wenig hilfreich zu sein mit Blick auf PFAS-Belastungen, denn „die Schäden sind stellenweise so enorm, dass sie sich mit heutigen Mitteln nicht sanieren lassen.“
Innovationspartnerschaft für die PFAS-Sanierung
Also wird man innovative Verfahren brauchen, um diese Schäden beseitigen zu können. Aber wie lassen sich solche Verfahren rechtssicher beschaffen? Darüber informierte Prof. Dr. Stefan Hertwig. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht ist langjährig befasst mit vergaberechtlichen Fragen und zeigte unterschiedliche Wege – aber auch einige Fallstricke.
Auch bei der Ausschreibung innovativer Verfahren sei es wichtig zu prüfen, ob man eine Bau- oder eine Dienstleistung in Auftrag geben wolle. Gehe es um einen Bauauftrag, müsse ab einem Schwellenwert von 5,382 Mio. Euro europaweit ausgeschrieben werden, für eine Dienstleistung bereits ab 215.000 Euro. „Liegt man damit falsch, landet man sehr leicht vor der Vergabekammer“, so Prof. Hertwig.
Besteht darüber Klarheit, gebe es im Grunde nur zwei unterschiedliche Vergabearten: „Darf ich, wenn die Angebote eingegangen sind, nochmal darüber verhandeln? Oder darf ich das nicht?“ Öffentliche Auftraggeber können nur in Ausnahmefällen ein Verhandlungsverfahren eröffnen – und müssen dafür Gründe angeben. „Eine Ausnahme ist möglich, wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst.“ Diese Innovation müsse nachgewiesen werden.
Eine neue Möglichkeit stelle die „Innovationspartnerschaft“ dar: Dabei werde eine Leistung für den Auftraggeber entwickelt oder eine bereits bestehende Lösung verbessert. „Dieses spezifische Verfahren soll es öffentlichen Auftraggebern ermöglichen, eine langfristige Partnerschaft für die Entwicklung und den anschließenden Kauf innovativer Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen zu begründen.“
Der öffentliche Auftraggeber müsse nur entsprechend qualifizierte Unternehmen zur Angebotsabgabe auffordern, er könne die Partnerschaft mit mehreren Unternehmen eingehen, müsse sie aber nicht mit allen zu Ende führen. Für den anschließenden Erwerb der Dienst- oder Bauleistung ist kein neues Vergabeverfahren erforderlich. Nach Einschätzung des Umweltbundesamts, so Prof. Hertwig, „eignen sich PFAS-Sanierungen besonders gut für eine Innovationspartnerschaft“.
Die Grenzen der Verhältnismäßigkeit
Auch mit Blick auf aufwendige Sanierungen von PFAS-Schäden stellt sich die Frage nach den Grenzen der Verhältnismäßigkeit bei Altlastensanierungen. Zu Fragen der Haftung des Eigentümers nach dem BBodSchG trug Dr. Jens Nusser vor. Grundsätzlich stehe der Eigentümer als Zustandsstörer in der Pflicht, für die Beseitigung einer schädlichen Bodenveränderung zu zahlen – allerdings in aller Regel nur bis zum Verkehrswert des Grundstücks nach erfolgter Sanierung.
„Wie aber ist mit einer Situation umzugehen, in der eine vollständige Sanierung bereits im Sanierungsziel nicht angelegt ist?“ Für einen ehemaligen Wäscherei-Standort habe zum Beispiel die Behörde als Ziel eine Schadstoff-Entfrachtung um etwa 90 Prozent per in-situ -Sanierung vorgegeben, um Gefahren für die Trinkwassergewinnung zu beseitigen. „Anschließend ist das Grundstück dennoch weiterhin belastet und der Verkehrswert liegt immer noch bei null.“
Ein besonderes Augenmerk sei auch auf die ordnungsgemäße Verkehrswertermittlung bei einer Teilsanierungen zu legen, so Dr. Nusser. Er verwies auf ein Urteil des VGH Mannheim: „Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze des Zustandsstörers bemisst sich nach dem Verkehrswert des lediglich teilsanierten, nicht des fiktiv völlig unbelasteten Grundstücks.“
Die LAGA PN 98 vor Gericht
Für die Verwertung bzw. Beseitigung von Abfällen erstellte die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall die Richtlinie LAGA PN 98, die das Vorgehen bei physikalischen, chemischen und biologischen Untersuchungen vorgibt. Regelungen im staatlichen Recht nehmen Bezug darauf – etwa die Ersatzbaustoffverordnung und die Bundes-Bodenschutzverordnung. „Und auch Gerichte gehen überwiegend von der Maßgeblichkeit der LAGA PN 98 aus“, erläuterte Dr. Henning Blatt.
Dafür nannte er zahlreiche Beispiele, darunter ein Urteil des Landgerichts München II, das bundesweit für Aufsehen sorgte. Ein Entsorgungsfachbetrieb hatte angeliefertes Material unzureichend beprobt. „Die Angeklagten nahmen billigend in Kauf, dass 104.071,05 Tonnen Abfälle mit einer zu hohen Schadstoffkonzentration abgelagert wurden und damit Grundwasser, Luft oder Boden der Gruben/Deponie nachhaltig verunreinigt wurden.“ Das Landgericht ließ durch Gutachter ausdrücklich bestätigen, dass die LAGA PN 98 den Stand der Technik darstellt.
Lieber Vereinbarung als Verfügung
„Es zeigt sich immer wieder: Es hilft am Ende niemandem, wenn eine Verfügung zu Gericht getragen wird.“ Mit diesem Fazit schloss Dr. Inga Schwertner ihren Erfahrungsbericht zu Untersuchungs- und Sanierungsanordnungen nach dem BBodSchG. Die Fachanwältin für Verwaltungsrecht empfahl dringend, am runden Tisch zu Sanierungsvereinbarungen zu kommen.
Eine Gelegenheit zu entsprechenden Gesprächen biete auch die Anhörung, die vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, erfolgen muss. „Diese ist auch mündlich möglich, zum Beispiel im Rahmen einer Ortsbesichtigung.“ Von einer Anhörung abzusehen, sei nur in wenigen Ausnahmefällen möglich – und in fast keinem Fall empfehlenswert.
Möglicher Adressat einer Verfügung könne der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung sein. Allerdings zeigte Dr. Schwertner an Beispielen, dass dieser Verursacher nicht immer ganz leicht zu bestimmen ist. Weise etwa eine Gemeinde ein bisheriges Industriegebiet als Wohngebiet aus, könne eine vorhandene Belastung des Bodens durch die geänderte Bauleitplanung eine Sanierungspflicht auslösen. „Die Gemeinde verursacht dann zwar nicht die Bodenveränderung, sie bewirkt jedoch, dass sich eine Bodenveränderung negativ auswirkt.“ Laut BBodSchG könne jedoch nur Verursacher sein, wer tatsächlich auf den Boden einwirkt. „Dies ist bei der Gemeinde ja nicht der Fall. Das muss ich so stehen lassen, da es beide Auffassungen gibt.“
Schon die Gefahr einer Schadstoffbelastung gilt als Mangel
Wie sich Grundstücke mit einer Altlast verkaufen lassen – und welche Fallstricke es dabei gibt, darüber berichtete Dr. Hanno Vogt, Anwalt für privates Bau- und Architektenrecht. Grundsätzlich riet er zu größtmöglicher Offenheit zwischen Käufer und Verkäufer. Eine notarielle Urkunde wie der Kaufvertrag trage die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich. Wenn etwas nicht im Vertrag stehe, wird vermutet, dass es nicht stattgefunden hat. „Die Parteien sollten ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass sämtliche vertragswesentlichen Umstände hinreichend Anklang im Vertragstext finden.“
Bedeutet unter anderem: Der Verkäufer sollte unmissverständlich auf eine vorhandene Bodenbelastung hinweisen. Ansonsten könne der Käufer bei nicht erwähnten Mängeln wie einer Altlast Nacherfüllung verlangen, vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern und Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. „Die Rechtsprechung sieht bereits die Gefahr einer erheblichen Schadstoffbelastung als Mangel“, so Dr. Vogt.
Zwar enthielten Grundstückskaufverträge üblicherweise einen Gewährleistungsausschluss. Darauf jedoch könne sich der Verkäufer nicht berufen, falls er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglistiges Verschweigen werde bereits dann angenommen, wenn der Verkäufer zwar Angaben mache, die mangelbegründenden Umstände aber gezielt herunterspiele. Dr. Vogts Rat: eine saubere Informationsaufbereitung vor Vertragsabschluss. Auf den Notar dürfe man in diesem Zusammenhang nicht setzen, denn „er ist zwingend unparteiisch. Er dürfte eine mögliche Altlastenthematik von sich aus auch dann nicht ansprechen, wenn er sie aus eigener Anschauung oder Erfahrung kennt.“
Hinweis: Auch im nächsten Jahr wird der AAV über aktuelle Rechtsfragen zum Altlasten- und Bodenschutzrecht informieren. Die nächste Fachtagung Recht findet am 10.06.2026 in Hattingen statt.