20.03.2025
Über Nachhaltigkeit, die Suche nach PFAS-Schäden und erste Erfahrungen mit der EBV

Kurzbericht zur AAV-Fachtagung "Boden und Grundwasser" am 30.01.2025
Erschwert der Klimawandel Grundwasser-Sanierungen? Wie haben sich Labore, Gutachter und Bau-Unternehmen auf die neue Ersatzbaustoff-Verordnung eingestellt? Und wie lassen sich PFAS-Belastungen in Archiven ermitteln? Antworten auf diese und weitere Fragen gab die AAV-Fachtagung „Boden und Grundwasser“. Zum Abschluss der Veranstaltung präsentierte der Verband sein in mancher Hinsicht anspruchsvollstes Projekt, das in seiner Abwicklung besonders herausfordernd war.
PFAS finden sich in allen Oberböden in NRW
Den Überblick gab zu Beginn der gut besuchten Veranstaltung in der historischen Gebläsehalle der Henrichshütte in Hattingen Stefan Schroers vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Der Referatsleiter erklärte zunächst den Stand der Dinge in Sachen PFAS. Diese auf natürlichem Wege nicht abbaubaren Schadstoffe fänden sich durch atmosphärische Einträge „in allen Oberböden in NRW.“ In welcher Menge und in welcher Verteilung – das lasse sich nun für die ländlichen Gebiete im Fachbericht 150 des Landesumweltamts nachlesen. Ein entsprechender Bericht für urbane Räume sei derzeit in Arbeit.
Mehr als 160 Fälle in Bearbeitung
Der LANUV-Fachbericht nenne auch sehr viele punktuelle PFAS-Belastungen, aktuell seien „wahrscheinlich mehr als 160 Fälle in Bearbeitung“. Damit die Ressource Boden nutzbar bleibe, diskutiere man derzeit vollzugstaugliche Regelungen – etwa mit Blick auf das Wasserrecht. „Boden und Wasser sollen vor Verschlechterung geschützt werden, die durch Bewässerung mit PFAS-haltigem Grundwasser entstehen könnte.“ Hierzu soll in Kürze eine Erlassregelung erfolgen. Zusätzlich ist ein flankierendes F&E-Vorhaben des AAV zur Evaluierung geplant.
Mehr als 11.000 Brachflächen ermittelt
Per Luftbild-Auswertung ließ das Land Brachflächen und Boden-Versiegelung erfassen. Weit über 11.000 potenzielle Brachflächen wurden ermittelt, die nun in einer zweiten Stufe in den Kommunen verifiziert werden können. Dies, betonte Schroers, sei durch das Land förderfähig. So wolle man die Kommunen unterstützen, ihr „Potenzial der Innenentwicklung besser zu nutzen.“
Grundlage für den Hochwasserschutz
Die Daten zur Bodenversiegelung finden Eingang in den Klimaatlas NRW und stehen nun auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie bilden unter anderem eine wichtige Grundlage für den Hochwasserschutz und für weitere Anpassungen an die Folgen des Klimawandels.
ITVA stößt Diskussion über Nachhaltigkeit an
„Sind Sanierungsmaßnahmen nicht eigentlich immer ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich nachhaltig? Denn schließlich werden ja Umweltschadstoffe entfernt, dadurch Gefährdungspotenziale reduziert. Und nicht zuletzt ermöglicht beispielsweise ein innerstädtisches Sanierungsprojekt eine neue Nutzung von Flächen.“ Dr. Stephan Hüttmann referierte über den Stand der Diskussion zur „Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Sanierung von Altlasten“, die derzeit im Ingenieurtechnischen Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling (ITVA) geführt wird. Der Mikrobiologe ist Sprecher des ITVA-Fachausschusses für Sanierungstechnologien und -Verfahren sowie Geschäftsführer der Sensatec GmbH.
Neue Strategie für Altlastenbearbeitung
Ziel des ITVA sei es, eine Nachhaltigkeitsstrategie im Bereich der Altlastenbearbeitung zu finden, die nationalen und internationalen Anforderungen gerecht werde. Dafür wolle man Entscheidungs- und Arbeitshilfen entwickeln. In einer Vorreiterrolle sieht er die Verwaltungen, die in Ausschreibungen etwa die Verwendung regenerativer Energien und emissionsschwacher Technologien einfordern könnten.
Extreme Hoch- und Niedrigwasser-Phasen
Wie sich der Klimawandel auf Grundwassersanierungen auswirkt, erläuterte Bernadette Bohnert. Die Diplom-Ingenieurin leitet den Fachbereich Altlasten bei der HPC AG. „Da extreme Hoch- und Niedrigwasser-Phasen immer mehr an Bedeutung gewinnen, ist die Betrachtung mittlerer Fließregime nicht mehr zielführend.“ Höher aufgelöste und langfristigere Datenerfassungen seien erforderlich, vielfach sei eine flexiblere Überwachung und Steuerung nötig.
Eine Frage der Verhältnismäßigkeit
„Zudem muss bei einigen Projekten regelmäßig die Effizienz überprüft werden.“ Einen LHKW-Schaden führte sie als Beispiel an. Per Boden-Luft-Absaugung und mittel Pump & Treat in drei Tiefenstufen saniert HPC diese Verunreinigung seit 1992. Im Laufe der Zeit gab es immer mehr und immer längere Phasen extremer Trockenheit, der Grundwasserstand sank. Deshalb musste immer mehr Energie eingesetzt werden, um den Schadstoff-Austrag aus dem Grundwasser aufrecht zu erhalten, so dass sich immer drängender die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellte.
EBV: erste Start-Schwierigkeiten bewältig
Aus etwas unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten die beiden folgenden Vortragenden die Ersatzbaustoffverordnung (EBV): der Ingenieur und Sachverständige Dipl. Geol. Dipl.-Ing. Oliver Kraft und die Betriebswirtin und Geschäftsführerin Alina Klaas.
Vor gut anderthalb Jahren trat die Verordnung in Kraft, die bundesweit einheitlich die Verwendung mineralischer Ersatzbaustoffe in technischen Bauwerken – zum Beispiel in Deichen – regelt. Einig waren sich beide darin, dass es wie bei jeder neuen Regelung Startschwierigkeiten gab. „Labore standen zum Beispiel vor großen Herausforderungen“, so Oliver Kraft. „Musste man vorher eine Woche auf ein Ergebnis warten, waren es nun drei bis vier Wochen.“ Zudem führten einzelne Regelungen zu Unsicherheiten. So gebe die EBV Mindestabstände zum höchsten zu erwartenden Grundwasserstand an, der jedoch selten bekannt und nicht immer einfach zu ermitteln sei. „Wenn die Bedingungen jedoch erfüllt sind, dann bietet EBV durchaus sehr weitreichende Möglichkeiten, den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen zu realisieren.“
Chance für nachhaltigeres Bauen
In dieser Möglichkeit sah Alina Klaas die große Chance, die die EBV bietet: „Wir wollen nachhaltig bauen und wir wollen Ressourcen schonen – die Verordnung schafft dafür den rechtlichen Rahmen.“ Das Potenzial für die Wiederverwertung von Gesteinskörnung sei groß. Im Jahr 2020 lag der Bedarf bei rund 584 Mio. Tonnen – und lediglich 13,2 % davon waren recyceltes Material. Zur Verfügung gestanden hätten 220 Mio. Tonnen. Wichtig sei daher, dass Recycling-Baustoffe „einen Produktstatus erreichen und eine Marktakzeptanz erlangen.“
Gemeinsam Lösungen finden
Nach anfänglichen Problemen habe sich die EBV etabliert – auch wenn noch einige Fragen offen seien. „Wenn es noch offene Fragen gibt, da werden mir die Behördenvertreter hier im Saal zustimmen, dann ist es die einfachste Lösung, einfach mal miteinander zu sprechen.“
PFAS-Schäden durch Brandbekämpfung
„Drei Viertel aller PFAS-Kontaminationen in NRW sind auf Schaumlöschmittel zurückzuführen“, so Dr. Harald Mark. Der Geograf ist Sachverständiger für flächenhafte und standortbezogene Erhebung / historische Erkundung nach § 18 BBodSchG. Einige fänden sich an Brandübungsplätzen, an Feuerwachen oder seien durch stationäre Schaumlöschanlagen entstanden. Die allermeisten PFAS-Kontaminationen jedoch gingen auf Brandbekämpfungen zurück.
Wenn es gebrannt hat, steht’s in der Zeitung
Es ist deutlich schwieriger, als man meinen könnte, die Schauplätze großer Feuersbrünste der vergangenen gut 50 Jahre zu finden – so lange verwenden Berufsfeuerwehren bereits PFAS-haltige Löschmittel. „Die beste Quelle, mit der sich Brände ermitteln lassen, ist die gute, alte Zeitung. Selbst wenn nur ein Müllcontainer brennt, ist das ein Thema im Lokalteil. Das Blättern in archivierten Zeitungen muss nicht der in Weisheit ergraute Sachverständige erledigen, das kann auch eine zuverlässige Hilfskraft machen. Die Bewertung allerdings muss durch Sachverständige erfolgen.“
Projekt mit Höhen, Tiefen und einigen Überraschungen
Mit einer Technik aus dem 18. Jahrhundert saniert der AAV eine Altablagerung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts – und unterbindet damit künftig die Belastung des Grundwassers durch polychlorierte Chlorphenole und weitere Schadstoffe. Nach langer Planungsphase kam das Projekt „Altablagerung An der Schlinke in Witten-Annen“ Ende 2023 in die Umsetzung. „Das ist ein sehr anspruchsvolles Projekt mit vielen Höhen, Tiefen und einigen Überraschungen“, so Dr. Susanne Weigand, die im Sommer 2024 die Projektleitung von Dr. Uwe Hoffmann übernahm.
Alte Technik aus dem Bergbau
Da eine Grundwasserreinigungsanlage die Freisetzung der Schadstoffe nicht ausreichend unterband, entwickelte der AAV ein anderes Verfahren: Das Grundwasser unterhalb des alten Steinbruchs mit seiner illegalen Deponie sollte abgesenkt werden, um so die Mobilisierung zu unterbinden. Dafür sollte ein „Erbstollen“ gebohrt werden – auf diese Weise hielt man bereits im frühen Bergbau erfolgreich Schachtanlagen trocken.
Bohrungen stockten immer wieder
Das Abteufen des Startschachts bis in 20 Meter Tiefe mit mehreren Sprengungen verlief reibungslos, die nahezu horizontalen Bohrungen jedoch bereiteten Probleme. Wiederholt musste das beauftragte Unternehmen den Vortrieb abbrechen, das Verfahren anpassen und teilweise improvisieren. So entschied man sich, gelochte Stahlrohre zu verwenden, wartete aber nicht Monate lang auf deren Lieferung, sondern bearbeitete das vorhandene Material mit Handbohrmaschinen. Rund 10.000 Sechs-Millimeter-Bohrungen machten dann einen reibungslosen Vortrieb möglich.
Mittlerweile sind die 63, 70 und 85 Meter langen Drainagen unterhalb der Altablagerung fertig, Erbstollen und Rigolen-Versickerungsanlage ebenfalls. Ob damit die Freisetzung der Schadstoffe im gewünschten Maße unterbunden wird, wird das Monitoring zeigen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.