11.04.2024
Dritter Workshop zu PFAS-Belastungen: Umgang, Verwertung, Sanierung
11. April 2024 - AAV lädt Kommunen, Industrie, Behörden und Sanierer erneut zum Erfahrungsaustausch
PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, beschäftigen Sanierungspflichtige und Sanierungspraktiker seit Jahren. Sie werden auch weiterhin Thema vieler Debatten und Schadensanalysen bleiben - mindestens so lange, bis wichtige Fragen geklärt sind, Unsicherheiten beseitigt wurden und ausreichend Erfahrung mit Sanierung und Verwertung zur Verfügung steht.
Derzeit ist die Liste der offenen Fragen noch ähnlich groß wie die chemische Vielfalt der PFAS, der poly- und perfluorierten Alkylsubstanzen. Auf dem dritten PFAS-Workshop am 11. April lud der AAV daher Vertreter von Kommunen, Behörden, Sanierungsunternehmen und Industrie aus verschiedenen Bundesländern erneut zum Erfahrungsaustausch über zentrale Themen: über den Umgang mit belastetem Boden, über die Bewertung von Boden- und Grundwasserbelastungen und über Verfahren zur Boden- und Grundwassersanierung.
Veranstalter waren neben dem AAV das NRW-Umweltministerium (MUNV) und das Landesumweltamt NRW (LANUV), außerdem das Umweltamt der Stadt Düsseldorf, die Stadt Köln und der Verband der Chemischen Industrie NRW. Wie schon bei den vorangegangenen PFAS-Workshops nutzten die Veranstalter das Format eines World-Cafés: Der Austausch erfolgte in wechselnden Kleingruppen an insgesamt zwölf Themen-Tischen, an denen Moderator oder Moderatorin gezielt Detailfragen und Einzelaspekte zur Sprache brachten.
Jeder der rund 100 Teilnehmer erhielt auf diese Weise Einblick in unterschiedliche Bereiche: Beim Umgang mit Bodenmaterial ging es u.a. um Baumaßnahmen, Deponierung und Zwischenlagerung, bei der Bewertung von Belastungen um Gefahrenbeurteilung, den Sonderfall Wasserschutzgebiete und um Sanierungsziele, bei den Verfahren um Sanierungsstrategien und um bewährte und innovative Sanierungsmethoden. Die Diskussionen und Gespräche an Thementischen eröffneten den Teilnehmern und Teilnehmerinnen nicht nur einen weiten Blick, sondern vor allem auch einen direkten und offenen Erfahrungsaustausch.
Deutlich wurde: Es geht langsam voran bei der PFAS-Problematik.
Das ist einerseits eine gute Nachricht: Es geht voran. „Der Leitfaden des Bundes und des NRW-Erlasses zur PFAS-Bewertung wird angewendet, wenn auch heterogen und nicht überall“, resümierte Stefan Schroers, Leiter des Referats Bodenschutz und Altlasten, Deponien im NRW-Umweltministerium. Positiv ist auch, dass es innovative Ansätze für optimierte Sanierungsverfahren gibt, z.B. bei der Bodenwäsche oder beim Einsatz kolloidaler Aktivkohle für Grundwassersanierungen.
Nicht zuletzt sind Forschung und Analytik einige Schritte weiter. Beispielsweise beim Thema Deponierung. Da es nur wenige Deponien gibt, die PFAS-belastetes Material annehmen, ist die vorherige Immobilisierung der Stoffe eine sinnvolle Option. Ein Forschungsprojekt des AAV mit der Uni Duisburg/Essen und der Firma Arcadis hat gezeigt, dass sich PFAS durch bestimmte Additive über lange Zeit fest an Bodenteilchen binden lassen. Auch beim Thema Hintergrundbelastung schärft sich das Bild. MUNV und LANUV haben in den vergangenen Jahren Wald-, Acker- und Grünlandböden in NRW auf deren PFAS-Gehalte analysiert. Diese Werte geben wichtige Orientierung beispielsweise für eine Schadensbewertung und für Sanierungsstrategien.
Dass es bei PFAS langsam vorangeht, ist zugleich auch eine schlechte Nachricht. Denn es geht eben nur langsam voran. Immer noch gibt es wesentlich mehr Fragen als Antworten. Noch nicht alle Bodenschutzbehörden wissen laut Schroers von der Pflicht zur PFAS-Analyse bei Baumaßnahmen. Die unteren Bodenschutzbehörden hätten von vielen Baumaßnahmen keine Kenntnis oder nur von denen, deren Flächen im Altlastenkataster verzeichnet sind.
Je mehr PFAS-Untersuchungen durchgeführt werden, umso größer wird die Zahl der belasteten Standorte. Die Bewertung von belastetem Boden und Grundwasser erweist sich als Schlüsselfrage. „Hier sind die Unsicherheiten groß und dementsprechend die Praxis sehr unterschiedlich,“ fasste Mareike Mersmann, Altlastenexpertin im Landesumweltamt NRW, die Gespräche an den Themen-Tischen zusammen.
Der künftige Regelungsbedarf, das wurde bei den Diskussionen deutlich, ist breit. Alles, was mehr Einheitlichkeit und Transparenz in die Praxis bringt, wird von vielen Akteuren gefordert und begrüßt: harmonisierte Analysemethoden und Probenvorbereitung, einheitliche Ableitungskriterien für Prüfwerte und für Vorsorgewerte. Laut Schroers ist Ziel, die derzeitige eluatbasierte Einstufung durch feststoffbasierte Verwertungsregelungen, die die Hintergrundwerte berücksichtigen, abzulösen. Geregelt werden muss u.a. auch die Frage, ob für Wasserschutzgebiete die strengeren Anforderungen der Trinkwasserverordnung als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden sollten.
Während Harmonisierung Bewertung und Analysen erleichtert, ist ein standardisiertes Vorgehen bei der Sanierung eher unerwünscht. „PFAS erlauben kein pauschales Vorgehen“, betonte Dr. Carla Ralfs, die sich beim VCI-NRW mit PFAS beschäftigt. „Wir plädieren für einen risikobasierten Ansatz, keinen gefahrenbasierten Ansatz.“ Sanierungsziele sollten immer eine Einzelfallbetrachtung sein. Jede Sanierungsmaßnahme müsse verhältnismäßig und ökonomisch sinnvoll sein.
Der Workshop macht deutlich: Der Forschungsbedarf zu PFAS ist enorm. An den Thementischen entstanden regelrechte To-Do-Listen, die die Forschung auf Jahre beschäftigen werden: Es fehlen Hintergrundwerte für Grundwasser und Parameter für die Beurteilung von Grundwasserbelastungen. Benötigt werden wissenschaftliche Untersuchungen zum Übergang der PFAS auf Mensch, Tier und Pflanze, um die Belastung von Futter- und Lebensmitteln beurteilen zu können. Hilfreich für Analytiker wären ein PFAS-Summenparameter und Bewertungsgrundlagen für Vorläufersubstanzen. Sanierer stehen zudem vor dem Problem, dass PFAS mit bisherigen In-situ-Verfahren weder biologisch noch chemisch oder thermisch auf wirtschaftliche Weise beseitigt werden können. Daher sind Sanierungsunternehmen und Verfahrensentwickler aufgerufen, innovative und zugleich wirtschaftliche Sanierungsmethoden zu entwickeln.
Wissen ist gut. Darüber zu sprechen, ist besser. „Das vorhandene Fachwissen zu PFAS muss besser verteilt und für alle Beteiligten zugänglich gemacht werden,“ konstatierte Mersmann. Das betrifft nicht nur Bodenschutzbehörden und Sanierungspflichtige, sondern auch Feuerwehren, Gesundheitsämter, Versicherungen und Umweltrechtler. Gespräche an den runden Thementischen des AAV können hier einen wichtigen Beitrag leisten. (cf)