PFAS: EU will Ewigkeitschemikalien verbieten

PFAS: EU will Ewigkeitschemikalien verbieten

Für die Altlastensanierung sind sie ein echtes Problem: per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (engl. PFAS), die sich in Boden und Grundwasser weder durch natürliche noch durch technische Prozesse abbauen. Die Europäische Chemikalienagentur hat am 7. Februar den „PFAS Restriction Proposal“ vorgelegt. Er sieht vor, die gesamte Substanzklasse mit Übergangsfristen zwischen 18 Monaten und 13,5 Jahren zu verbieten.

Verbot der Ewigkeitschemikalien?

PFAS sind wasser-, schmutz- und fettabweisend, erleichtern das Handling von Flüssigkeiten und bilden als Tenside stabile Barrieren zwischen eigentlich nicht mischbaren Substanzen. Daher werden sie in nahezu unzähligen Produkten verwendet: in wasserdichter Kleidung, beschichteten Pfannen, Kosmetik und Verpackungen, in Schmierstoffen, Papier, Leder und Textilien, in Pestiziden und Feuerlöschmitteln.

Die Chemikalien haben sich in den vergangenen Jahrzehnten weit verbreitet und finden sich in Luft, Wasser und Boden, in Lebensmitteln und im menschlichen Blut. Es gibt Hinweise darauf, dass PFAS das Immunsystem beeinträchtigen und das Krebsrisiko erhöhen können. Bisher gibt es EU-weit gesetzliche Einschränkungen nur für einzelne PFAS. Mittel- und langfristig aber  sollen die auch als „Ewigkeitschemikalien” bezeichneten Stoffe  als ganze Substanzklasse in der EU beschränkt oder gar verboten werden. Betroffen davon wären etwa 10.000 Einzelsubstanzen.

Unterstützung aus Deutschland

Der Vorstoß wird insbesondere von Deutschland unterstützt. Drei deutsche Behörden - Umweltbundesamt, das Bundesinstitut für Risikobewertung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin - haben gemeinsam mit den zuständigen Behörden aus den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen einen Beschränkungsvorschlag nach Anhang XVII der REACH-Verordnung erarbeitet und bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht.  Auch die NRW-Landesregierung hat sich in Bund-/Ländergremien und in der Umweltministerkonferenz dafür ausgesprochen, PFAS europaweit zu beschränken.

Das Verbotsdossier nach REACH Art. 69 Anhang XV, das die ECHA am 7. Februar vorgelegt hat,  sieht vor, Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung von PFAS mit Übergangsfristen zwischen 18 Monaten und  13,5 Jahren zu verbieten. Die Länge der Fristen soll sich u.a. danach richten, wie verfügbar und tauglich mögliche Alternativstoffe für bestimmte Anwendungen sind.

NRW untersucht Hintergrundbelastung

Bislang existieren wenig belastbare Daten zur großflächigen Hintergrundbelastung mit PFAS. Das Landesumweltamt NRW (LANUV) hat in den vergangenen zwei Jahren an über 200 Standorten in NRW mehr als 300 Bodenproben von Acker-, Grünland- und Waldflächen analysiert. „Mit diesen Untersuchungen zu Hintergrundgehalten in Böden als Folge diffuser atmosphärischer Deposition ist Nordrhein-Westfalen bundesweit führend“, schreibt die Landesregierung in einem Bericht vom 10. März an den Umweltausschuss des Landtags.

Bisherige Auswertungen zeigen, dass nahezu alle Proben von Oberboden und die meisten Proben des Unterbodens PFAS enthalten. Das ist ein Beleg dafür, dass sich die Stoffe weiträumig über den Luftpfad verteilen und im Boden wandern. Noch für dieses Jahr ist der Start eines neuen Vorhabens geplant, das die PFAS-Belastung in Böden von Städten und urbanen Räumen analysieren wird. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass hier die Hintergrundbelastungen höher liegen, betont das LANUV.

Kostspielige Altlast

„Es hat sich als schwierig und extrem kostspielig erwiesen, PFAS wieder zu entfernen, wenn sie einmal in die Umwelt gelangt sind“, betont die Landesregierung. Im Jahr 2021 waren bei den Landesbehörden 132 Fälle mit nachgewiesenen PFAS-Belastungen in Boden und Grundwasser in Bearbeitung. 90 davon entstanden durch den Einsatz von Feuerlöschmitteln. Von den insgesamt 132 Fällen werden laut Bericht 24 derzeit saniert, bei 22 ist die Sanierung abgeschlossen. Der Rest befindet sich im Stadium der Sachverhaltsermittlung  bzw. Sanierungsuntersuchung. „Die Zahl der PFAS-Sanierungsfälle steigt“, sagt  AAV-Geschäftsführer Dr. Roland Arnz. Seit 2021 ist die offizielle Fallzahl in NRW auf etwa 160 gewachsen.

Da PFAS sich in Boden und Grundwasser nicht abbauen, bleibt bei einem Schadensfall in der Regel nur die Auskofferung des belasteten Materials. Allerdings gibt es kaum Deponiekapazitäten für PFAS-belastete Böden. Im Auftrag des AAV untersuchen die Uni Duisburg/Essen und die Firma Arcadis in einem Forschungsprojekt Methoden zur Immobilisierung von PFAS. Dafür wurden an vier Altlastenstandorten Proben genommen und mit verschiedenen Zuschlagsstoffen und Adsorptionsmitteln versetzt. Die Proben wurden zudem künstlich gealtert. „Ziel ist es, herauszufinden, ob PFAS an bestimmte Zuschlagstoffe so fest binden, dass ausgekoffertes Material leichter auf Deponien gelagert werden kann“, erläutert Arnz.

Womit ersetzt man PFAS?

Wie schnell und wie durchgreifend ein allgemeines Stoffverbot für die EU kommt, ist offen. Laut Chemikalienverordnung REACH dürfen (verbotene)  Substanzen weiter in Verkehr gebracht werden, wenn der sozioökonomische Nutzen überwiegt und keine Alternativen zu Verfügung stehen. Und auch wenn Alternativen entwickelt werden:  Wissenschaftler und Toxikologen warnen vor der Möglichkeit, dass Ersatzstoffe ebenfalls schädlich sein könnten. Auch die NRW-Landesregierung betont in ihrem Bericht, dass „der Ersatz von PFAS nicht zur Verwendung ähnlich schädlicher Chemikalien mit vergleichbaren Eigenschaften führen darf und somit keine neuen Umweltbelastungen entstehen.“ Zu PFAS und insbesondere auch zur Substitution müsse daher deutlich mehr geforscht werden.

Industrie setzt sich zur Wehr

Die Industrie wehrt sich gegen generelle Beschränkungen. „Die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen, unabhängig vom tatsächlichen Risiko der einzelnen Substanzen, ist nicht angemessen“, schreibt der Bundesverband der Deutschen Industrie. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat seine Mitgliedsunternehmen aufgefordert, schnell zu reagieren und sich am gerade anlaufenden öffentlichen Konsultationsverfahren zu beteiligen. „Entscheidend für die Beteiligung an der Konsultation sind Daten und Fakten“, betont Dr. Angelika Hanschmidt, Expertin für europäische Chemikalienpolitik beim VCI. An Expositionsdaten, Verwendungsmustern, realisierbaren Alternativen, Substitutionskosten und wirtschaftlichen Konsequenzen eines Verbots  seien „die Behörden sehr interessiert.“

Das Verbotsdossier wird derzeit in den beiden ECHA-Ausschüssen SAC und SEAC beraten. In diese Beratungen fließen Eingaben aus der öffentlichen Konsultation ein. Frühestens Ende des Jahres werden beide Ausschüsse ihre Stellungsnahmen an die EU-Kommission leiten, die innerhalb von drei Monaten einen Verordnungsentwurf vorlegen muss. Dieser Entwurf wird dann im REACH-Regelungsausschuss, im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament geprüft.

Allerdings: Ob all die vorgesehenen Fristen des Verbots-Verfahrens nach REACH  Art. 69 eingehalten werden können, ist fraglich. Denn noch nie hat die EU Beschränkungen für eine so große Stoff-Familie erlassen. Wann ein PFAS-Verbot im Amtsblatt der EU veröffentlicht und wie es dann tatsächlich ausformuliert sein wird, ist daher offen.

Christa Friedl, Wissenschaftsjournalistin

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